Frisch auf den Tisch | | Sommer 2021 |
War das nicht erst gestern? Die 70er! Als alles begann. Ein Blick zurück ganz ohne Zorn, aber [naturellement] mit Nostalgie, wagt Elvira Richter, ehemaliges Programmausschussmitglied. Im Oktober ist dann großes Jubiläums-Special angesagt. Die Weekend-Film-Fète steigt in K1, mitten in der City Mannheims. Wer mehr über die Geschichte eines der ältesten, kommunalen Kinos wissen möchte, für den gibt’s eine reichbebilderte Publikation über diese turbulente Ära. Hat doch das Kino für aktuelle und klassische Filmkunst eine lange und wechselreiche Geschichte: 5 Spielstätten, 8 Geschäftsführer*innen –, die übrigens auch für das ambitionierte Jubiläums-Programm verantwortlich zeichnen. Also schon mal den Oktober rot anstreichen.
Elvira Richter geb. in Ba.-Wü. | Kunststudium | Kommunikationsdesign Studienabschluss 1978 01.| 1979 - 12.| 1984 Geschäftsführerin CQ |
CQ-Spielort |Studio im Werkhaus
Geschäftsstelle | Filmwochenbüro,
Rathaus E5
PA-Treff | Kantine des NT MA
Mein im Programmausschuss repräsentiertes Genre: Avantgarde-Filme; z.B. Alain Resnais "Letztes Jahr in Marienbad" (Drehbuch | Alain Robbe-Grillet), der wie Jean-Marie Straubs Straubs und Danièle Huillets "Die Chronik der Anna Magdalena Bach" Anfang der 80er Jahre nur wenige ausgemachte Cineasten vor die Leinwand lockte. Im Gegensatz zu "The Holy Mountain" von Alejandro Jodorowsky, jenem ausschweifenden, phantasmagorischen Werk, das unser cineastisches Ehrenmitglied Gerhard Breiner (+ Rauhhaardackel) genauso "schweinisch" fanden, wie Pasolinis "Die 120 Tage von Sodom", was explizit bei einer Vorführung auf der Filmwoche kundgetan wurde.
Einige Flashbacks: Claires Knie von Éric Rohmer (OT: Le Genou de Claire) aus dem Jahr 1970.
Bei der Filmvorführung im Studio im Werkhaus gerieten dem Filmvorführer beim Rollenwechsel einige der sich türmenden Filmrollen durcheinander. Weder Publikum noch Referent bemerkten den Faux Pas. Bei der sich anschließenden Diskussion über den Film erläuterte der Referent, die Intention Éric Rohmers bzgl. der Szenenfolge. Das Filmepos, Rohmers fünfter Film seiner Reihe "Six contes moraux", dem nicht wenige Filmkritiker attestierten, es sei mehr eine Art "Dialogkino". Der Referent, Jahre später auf das Malheur hingewiesen, berief sich auf Erinnerungslücken.
Die Veranstaltung 1980 "Rhythmik | Poetik | Wohnmaschine", beworben als avantgardistische Realaufnahmen ohne Gehalt, die der angeblichen Unordnung | Unsinnigkeit Ordnung gegenüberstellen. Das Programm entführte das zahlreich herbeiströmende Publikum quer durch die beschallten Katakomben des Werkhauses in den
Kinosaal, in dem non stop surrealistische Erstlingswerke liefen: Fernand Légers "Ballet mécanique", Luis Bunuels, "Un Chien andalou und Man Rays "L´Etoile de Mer".
Das Scandalon: Die jeweiligen Texte und Sounds der Filme waren verfremdet bzw. gegen andere Film-Narrative von Kunststudenten* getauscht. Orthodoxe Altcineasten gerierten sich überhitzt als Verteidiger unbedingter Werktreue, wogegen enthusiastische Bunuel-Jünger unermüdlich ausharrten, um die bis dato berühmteste Schockszene der Filmgeschichte zum x-ten Male zu erleben. Lustvoll und kontrovers ging die Veranstaltung lange nach Mitternacht zu Ende.
Fazit: Die Partnerschaft mit dem Theater war ein voller Erfolg. Die Intension, dem Erbe der Surrealisten neues Adrenalin zu injizieren, geglückt.
Das Programm der Endsiebziger im Studio im Werkhaus war vielfach politisch konnotiert: Veranstaltungen wie "Atomkraft? Nein Danke!", zu Palästina (der Clanchef der palästinensischen Delegation verabreichte dem Koch einen Backenstreich wg. zeitverzögernder Essenausgabe der arabischen Köstlichkeiten; mit Sintis und Romas (geladen war Romani Rose, Bürgerrechtsaktivist, der 1982 Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma wurde); oder später im Kubus Jiddische Filmtage mit der Jüdischen Gemeinde MA, die unter Polizeischutz stattfanden, gehörten zum Repertoire.
Zum Publikumsliebling avancierten indes unbestritten Filmfestivals. Kulturelle Highlights mit Kultstatus wie:
Filmwochensplitter: Eklat bei der Mitternachtsdiskussion 1976 zur Uraufführung von Fassbinders "Satansbraten" (in den Eichbaumstuben), bei der K-Gruppen dem Film faschistische Tendenzen vorwarfen, worauf Fassbinder und seine Filmcrew unisono den Saal verließen.
… oder jener Todenhöfer-Bohei: Protest-Flugblätter vervielfältigt im Matritzendruck und im Filmwochenbüro mitternächtlich abgezogen. Sie richteten sich gegen den anwesenden damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und seine erzkonservative Haltung. Von seinen Kritikern gerne als "Stahlhelmgesinnung" apostrophiert. Die Filmwochenleitung Fee Vaillant und Hanns Maier waren "not amused". Cinema Quadrat, ein Kind der Filmwoche, war erwachsen geworden.
"HOLLYWOOD DIE STIRN BIETEN"
*Programmausschuss 1977 v.l. Klaus Tröster m. Kind von Bert Lomen, Helgard Gammert, Bert Lomen, Joachim Kreitz, Thomas Tröster, Dagmar Reimold, ,Elvira Richter
© richter + schwartzkopff
Geschäftsstelle | Filmwochenbüro,
Rathaus E5
PA-Treff | Kantine des NT MA
Das Scandalon: Die jeweiligen Texte und Sounds der Filme waren verfremdet bzw. gegen andere Film-Narrative von Kunststudenten* getauscht. Orthodoxe Altcineasten gerierten sich überhitzt als Verteidiger unbedingter Werktreue, wogegen enthusiastische Bunuel-Jünger unermüdlich ausharrten, um die bis dato berühmteste Schockszene der Filmgeschichte zum x-ten Male zu erleben. Lustvoll und kontrovers ging die Veranstaltung lange nach Mitternacht zu Ende.
Fazit: Die Partnerschaft mit dem Theater war ein voller Erfolg. Die Intension, dem Erbe der Surrealisten neues Adrenalin zu injizieren, geglückt.
… oder jener Todenhöfer-Bohei: Protest-Flugblätter vervielfältigt im Matritzendruck und im Filmwochenbüro mitternächtlich abgezogen. Sie richteten sich gegen den anwesenden damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und seine erzkonservative Haltung. Von seinen Kritikern gerne als "Stahlhelmgesinnung" apostrophiert. Die Filmwochenleitung Fee Vaillant und Hanns Maier waren "not amused". Cinema Quadrat, ein Kind der Filmwoche, war erwachsen geworden.
"HOLLYWOOD DIE STIRN BIETEN"
*Programmausschuss 1977 v.l. Klaus Tröster m. Kind von Bert Lomen, Helgard Gammert, Bert Lomen, Joachim Kreitz, Thomas Tröster, Dagmar Reimold, ,Elvira Richter
© richter + schwartzkopff
*Heinz
(heute Architekt bei Kleihues + Kleihues, Berlin), Elvira Richter (Vorsitzende ver.di/ Bezirk Rh.-N., Fachbereich
Medien, Kunst,Telekommunikation).
und Tristan Pranyko (heute Prof. an der Kunsthochschule Weißensee, Berlin)
Cinema Quadrat ... mit Fee Vaillant und Gerhard Breiner