Frisch auf den Tisch | | Winter/Frühl. 2017: |
Das Weltall wächst vor unsrer Nasenspitze
Wohin reist einer, der nach bedrohten Sprachen forscht? Und wohin der, der sich für Insekten interessiert? Nun - beide reisen in den "Dschungel". Der eine nach New York, der andere nach Wien. Der Großstadtdschungel beider Metropolen bietet sowohl dem Linguisten als auch dem Entomologen das, wonach er trachtet. Der Sprachforscher findet die letzten Vertreter einer im Aussterben begriffenen Sprache auf New Yorks Straßen, der Entomologe eine äußerst seltene Spezies in einem Wiener Gebäude, das einem "Eisberg" gleicht, bei dem lediglich ein kleiner Teil über Wasser sichtbar ist. Das im Jahr 1889 eröffnete Naturhistorische Museum Wien umfasst neun Stockwerke: fünf über und vier unter der Erde. Mit sage und schreibe 30 Millionen Sammlungsobjekten, 39 Schausälen und 60 Wissenschaftler*innen ist es eines der größten außeruniversitären Forschungsinstitute Österreichs. Bei einer Gesamtfläche von 50.000 Quadratmetern sind weniger als 10.000 für den Besucher zugänglich. Der Rest beherbergt Laboratorien, Präparations- und technische Werkstätten, Medienlabors, klimatisierte Speicher etc.
Eben so lang ist die Liste einzigartiger Exponate: die 29.500 Jahre alte Venus von Willendorf, die vor über 200 Jahren ausgestorbene Stellersche Seekuh oder riesige Saurierskelette. In der weltweit größten und ältesten Meteoritenschausammlung findet sich ein weiterer spektakulärer Fund: der Marsmeteorit "Tissint". Virtuelle Infopunkte begleiten das mediendidaktisch und museumspädagogisch ausgerichtete Ausstellungskonzept und erlauben eine ganz individuelle Auseinandersetzung.
Und kaum hat man sich versehen, schon ist der Tag entschwunden, Zeit vergangen, haben wir wie ein zweidimensionaler Käfer Räume durchschritten und dabei erfahren, dass der Weltraum drei Dimensionen besitzt, eventuell in sich gekrümmt ist und wir praktisch nie an sein Ende kommen. Und gerade in dem Moment, da wir nach dem Besuch der anthropologischen Dauerausstellung das Grundmotiv des Darwinismus erkannt zu haben glauben, nämlich dass nur der den Kampf ums Dasein gewinnt, der mit letzter Kraft auch den 39. Raum durcheilt -, stehen wir vor einem Portal, das raumschiffartig wie der Monolith aus Stanley Kubricks 2001 in gänzlicher Schwärze vor uns aufragt. mehr ...